Der Römer in Narrenhand

Erstellt: 19.02.2023, 19:23 Uhr

Von: Stefan Behr                                                                                                            

Frankfurter Narren erstürmen den Römer                                                                                                                         © Rolf Oeser

Beim Rathaussturm donnern Kanonen und die Musik bringt einen um

 

Kanonendonner rollt über den Römer, Pulverschwaden vernebeln den Gerechtigkeitsbrunnen. Vor dem Rathaus, das offensichtlich belagert wird, sind Uniformierte aufmarschiert, ihre Banner weisen sie als „Bürgerwehr“ beziehungsweise „Prinzengarde“ aus. Unterstützt werden sie von Hundertschaften an Zivilisten. Da erfasst den gemeinen Republikbürger natürlich erst mal große Sorge: Hat man etwa Heinrich XIII. schon wieder rausgelassen?

 

Allerdings spricht eines dagegen, dass hier die Reichsbürger vor dem Rathaus stehen: Viele tragen Masken. Allerdings keine Schutzmasken, sondern eher solche, die ein Indiz dafür sind, dass die Träger nicht mehr ganz knusper im Gemüt sind, was dann ja doch eher wieder für die Reichsbürger spricht. Einer hält sich für Käptn Hook, eine andere für Kermit, den Frosch, einer für den Satan, ein anderer gar für den leibhaftigen Bahnbabo ... ach ne, das ist ja tatsächlich der Bahnbabo. Er kann Spagat und geht hier auf Wahlstimmenfang: „Ich bin der einzige Oberbürgermeisterkandidat, der seine Wählerinnen und Wähler am Wahltag persönlich zum Wahllokal fährt!“ Na Gott sei Dank, es gibt sie noch, die gute alte Demokratie, und solange der Babo Trambahn fährt, bleibt sie auch stabil.

 

Aber was ist dann hier los? Ach so, na klar: Rathaussturm. Helau! Ist man gar nicht mehr gewohnt. Der ist ja in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen, angeblich aus Krankheitsgründen, in Wahrheit aber aus Sinnlosigkeit. Denn der Narr, der ein Rathaus stürmt, in dem bereits Peter Feldmann sitzt, trägt Eulen nach Athen. Aber jetzt geht’s ja wieder.

 

Zur Verteidigung des Rathauses hat sich diesmal auf dem Römerbalkon eine B-Mannschaft um den Ex-Stadtverodnetenvorsteher Stephan Siegler verschanzt. Auch ein Körperdouble von Ex-Kämmerer Uwe Becker ist da, das aber niemanden zu täuschen vermag, weil die Person mindestens 30 Jahre älter ist als der Mann auf den Uwe-Becker-Wahlplakaten.

 

Siegler verhöhnt die Belagerer: „Wollt ihr einen Oberbürgermeister verhaften? Da seid ihr e bissi spät! Mehr als mich bekommt ihr net!“ Aber die Narren und Närrinnen auf dem Platz sind damit wohl vollauf zufrieden und ballern munter drauflos. „Wir haben in den letzten zwei Jahren viel Munition gespart“, stellt ihr Rädelsführer klar.

 

Und die hat’s in sich. Wer in der Nähe der Kanonen steht, dem platzt sofort das Trommelfell. Das ist in diesem Fall sogar ein Segen, denn die Musik, die zwischen den einzelnen Kampfansagen in der Rathausschlacht gespielt wird, ist ein nur schwer tolerierbarer Mashup aus Ballermann und Hintertaunusdisko. Möglicherweise wird sie ja auch gespielt, um die Römer-Defensive mürbe zu machen, so haben das die Amis ja auch schon bei Noriega gemacht.

 

Aber da sind sie bei Siegler an den Unrechten geraten. Der scheint die Mucke zu mögen und denkt nicht mal ans Aufgeben. Die Fronten scheinen festgefahren. Wie soll es nun weitergehen? Ab Aschermittwoch wird die Rathausbelagerung illegal und zumindest der Römerbalkon wird spätestens zum Gewinn der Champions League durch die Eintracht ja auch wieder für Wichtigeres gebraucht.

 

Da erscheint als Deus ex Machina der Dezernent für Planen, Wohnen und Sport, Mike Josef. Irgendwie ist es ihm gelungen, sich einen Weg durch den Belagerungsring zu erschleichen, und er hält wohl im Kaisersaal eine Motivationsrede an die Verteidiger. Im Gegensatz zum Becker-Double scheint es sich bei Josef um das Original zu handeln, jedenfalls wirken die Verteidiger anschließend extrem sediert und nicht einmal mehr bedingt abwehrbereit. Ohne größeres Brimborium wird auf dem Balkon die Weiße Fahne geschwenkt, die Türen des Römers öffnen sich und unter großem Tschingderassabumm marschieren die uniformierten Jecken ins Rathaus ein.

 

Endlich verstummt auch die fürchterliche Musik. Endlich ist das Rathaus wieder in Narrenhand. Endlich ist alles so, wie es sein soll. Wurde ja auch Zeit.