Frankfurt, Karneval: Mehr Motivwagen

Erstellt: 19.02.2023, 18:52 Uhr

 

Von: Stefan Behr

Viel los auf Frankfurts Straßen.                                                                                                                                             © Rolf Oeser

Der Frankfurter Fastnachtsumzug ist endlich wieder zurück - mit neuer Frische und alten Schwächen

 

Endlich wieder Fassenacht. So wie sie früher einmal war - mit Furz und Feuerstein und „Großem Frankfurter Fastnachtszug“. Mit Hunderttausenden Zuschauern, mit 2700 Aktiven und 33 Motivwagen, die einen närrischen Tatzelwurm von 1,7 Kilometern bilden. Mit dem wohl sperrigsten Motto aller Zeiten: „Frankfurts Fastnacht - schrill und fein und sechsfarbbunt noch obendrein“. Irgendwann wird man über die Fassenacht 2023 mal sagen: Wer das Wort ,sechsfarbbunt‘ unfallfrei aussprechen konnte, war nicht dabei gewesen!

 

Und hätte damit auch den Fastnachtsumzug verpasst. Das wäre ein Jammer, denn dort wird einem erst bewusst, was man in jüngster Vergangenheit so schmerzlich vermisst hat. Etwa die Beschallung mit nagelneuen Stimmungshits, die alle einen ähnlichen Beat haben und sich textlich ausnahmslos mit der Thematik „Godzilla, ich will ein Kind von dir!“ oder so ähnlich beschäftigen. Oder mit der Berieselung von Kamellen und anderem Naschwerk, wobei angemerkt werden muss, dass in diesem Jahr an dieser Stelle der Spaß- und Kariesfaktor ein wenig dem Nutzwert weichen musste. Von einigen Wagen regnet es so Praktisches wie Taschentücherpäckchen oder Putzschwämme, mitunter aber auch völlig nutzloser Tinnef wie die aufklappbare Akustikgrußkarte „Maddin gratuliert dir zum Geburtstag“. Aber mit etwas Glück hat man an diesem Sonntag gar keinen Geburtstag.

 

Zu den Motivwagen: Wladimir Putin hat es heuer gleich auf zwei geschafft. Auf einem frisst das Kreml-Monster die Ukraine, zu lesen ist der fromme Wunsch „Erstick dran!“. Auf dem anderen sieht man Putin in einem Panzer, verfolgt von einer grimmig blickenden Dame mit Blitzen in der Hand. Zu lesen ist: „Göttin Europa in großer Angst: Putins Hirn scheint weggedampft“. Beckmesser könnten nun nicht nur am Reim herummäkeln, sondern auch monieren, dass Europa nie eine Göttin war, sondern die Tochter eines phönizischen Königspaars, die von einem echten Gott (eben dem mit den Blitzen) nach Kreta entführt und dort geschwängert wurde. Einerseits. Andrerseits: Helau!

 

Ein weiterer Wagen zeigt einen Geldscheine heulenden Gianni Infantino, der von einem Scheich mit Fußballkopf anal penetriert wird. Subtiler Humor war nun freilich nie ein Alleinstellungsmerkmal der Frankfurter Motivwagen. Dem Scheich ist außerdem die linke Hand abgefallen. Das kann witzig gemeint, aber vielleicht auch reiner Zufall sein, Gott Jokus wird’s wissen.

 

Selbstverständlich hat es auch Peter Feldmann auf einen Motivwagen geschafft. Das ehemalige Stadtoberhaupt steht in einem Fettnapf, ein Narr auf dem Römerdach stibitzt ihm seine Amtskette. Den Fettnapf erkennt man, weil an ihm ein „Fettnapf“-Schild angebracht ist, den Römer erkennt man auch so, Feldmann erkennt man gar nicht. Aber wer soll’s denn sonst sein?

 

Natürlich hat dieser Umzug auch seine ernsten Momente, etwa wenn zwei Burschen mit Leichenbittermienen und dem Transparent „Leidenschaft ist das beste Werkzeug - Das Handwerk“ einherschreiten und dem Umzug einen Hauch von Karfreitagsprozession verleihen. Und niemand, der den riesigen Feldhamstern auf dem „Taunus Wunderland“-Wagen zu tief in die Augen geschaut hat, dürfte in den kommenden Wochen oder gar Monaten alptraumfrei schlafen.

 

Aber sonst: Jubel, Trubel, Heiterkeit! Und Toleranz! Selbst der Wagen des Offenbacher Karnevalvereins kann die Töngesgasse ohne die früher üblichen Schmährufe passieren. Es wäre allerdings übertrieben zu behaupten, dass die Frankfurter Fassenacht urplötzlich woke geworden sei. Das Gegenteil beweist etwa der Kappen-Club Niederhöchststadt, von dessen Wagen fröhlich der Gassenhauer „Layla“ schmettert, bekannt durch den ZDF-Fernsehgarten und unzählige Diskussionen in sozialen Medien. Aber heute regt sich niemand darüber auf.

 

Alle haben ihren Spaß, vor allem die Kinder, die beim Ergattern der Bonbons beweisen, dass die Jugend keineswegs so unsportlich ist, wie sie manchmal tut. Beim Einsammeln der Putzschwämme sind sie allerdings etwas weniger flink.